Nach einer doch erholsamen Nacht auf dem harten Hallenboden suchten wir direkt die Duschen auf. Es stellte sich heraus, dass es sich hier um Gemeinschaftsduschen mit 4 Duschköpfen gab. So schlossen sich alle (natürlich Weiblein und Männlein getrennt) zu 4er Gruppen zusammen, damit die Duschen nur von uns belegt waren. Für die bestimmt 1000 Pilger in der gesamten Halle waren aber die 16 Duschen pro Geschlecht recht knapp bemessen. So gingen auch regelmäßig welche in die gegenüberliegende Halle, die auch noch mit Duschen ausgestattet war. Nun kam leider der nächste Schock: Nach Abgabe der Frühstücksmarke gab es ein Orangen- oder Pfirsichsaft-Trinkpäckchen und ein Kakao-Trinkpäckchen und als Mahlzeit eine ganze, abgepackte Apfeltasche.
Papp satt nach diesem überaus nahrhaften Frühstück wanderten wir zum Bahnhof, der allerdings ca. 5 km noch entfernt lag.
Nach ca. 30 Minuten am Bahnhof angekommen wurden wir von vielen einheimischen Helfern (Spanier in grünen Shirt mit Aufdruck “voluntario”) darauf aufmerksam gemacht, den Rucksack lieber am Bauch zu tragen, da Madrid berüchtigt für die Taschendiebe ist. Anschließend mit unserem Metro-Ticket durch das Drehkreuz und schon standen wir am Bahnsteig.
Hier fährt im halbstündigen Rhythmus die S-Bahn (Cercanias, auf allen Karten als rotes C markiert) Richtung Madrid. In Madrid wollten wir uns nun nämlich endlich mal etwas umsehen. Nach kurzem Warten kam dann schon der nächste Zug, haben wir also gut abgepasst.
Nur 20 Minuten saßen wir in der schön klimatisierten Bahn, denn dann war schon der Dreh- und Angelpunkt von Madrid erreicht: Bahnhof Atocha. Wir werden zwar im Laufe des Weltjugendtages noch öfters in Atocha landen, aber mich ärgert es echt, dass ich keine genauere Besichtigung des Bahnhofs gemacht habe. Der Großteil war nämlich im schönen Jugendstil gehalten und war von innen auch mit schön viel Palmen dekoriert. Besonders ärgerlich war, dass ich erst im Nachhinein erfahren habe, dass hier ein Teil des Wracks von Oceanic 815 aus meiner absoluten (leider abgesetzten) Lieblingsfernseherie Lost zur Schau gestellt wurde. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich auch auf jeden Fall einen Blick darauf geworfen.
Als wir aus dem Bahnhof gingen, liefen wir wie gegen eine Wand in die spanische Sonne. Da merkte man mal, wie gut alles klimatisiert wurde.
Nun wurden wir aber für unser Stöhnen und all unsere Mühen bis jetzt mit einer wunderschönen Stadt belohnt. Sehr tolle Gebäude mit schönen Schnörkeln an allen Ecken und Enden begrüßten uns.
Wir sagte doch jemand bei uns in der Gruppe: “Ich kann es kaum fassen, Leute. Wir sind nun endlich in Madrid! Irgendwie unglaublich oder?” Wir litten auf alle Fälle an Reizüberflutung, wir wussten echt nicht, wo wir alles hinschauen sollten.
Guckte man nicht auf die Gebäude, so sah man tausende von Menschen, alle natürlich als Pilger verkleidet. Die Stadt war echt sehr voll!
Ein paar hundert Meter sind wir dann noch vom Bahnhof aus gewandert. Vorbei am Neptun-Brunnen (Fuente de Neptuno), Prado-Museum bis hin zum Plaza de Cibeles, an dem auch das derzeitige Rathaus (Palacio de Comunicaciones) steht:
Hier wurden schon einige Bühnen für die offizielle Eröffnungsmesse des Weltjugendtages in Madrid aufgebaut.
Nun war es sogar schon Mittag (wir brachen nicht so früh auf) und suchten daher eine Gelegenheit unsere erste Mittagsessen-Marke loszuwerden.
Dabei kamen wir wieder an architektonische Meisterwerke vorbei …
… bis wir schließlich einen geeigneten Platz für unsere Rast gefunden hatten: Top Pizza (Facebook, Bing Maps).
Hier bekommt man nämlich als Pilger zwei Pizza-Slices nach Wahl, ein Softdrink (refresco) und eine 0,5 L Flasche Wasser. Die Verkäuferin in dem Laden hat aber auch nichts dagegen gesagt, wenn man sich zwei Dosen Softdrink ausgesucht hatte. Leider war diese auch recht schnell überfordert – kein Wunder, wenn man alleine dort ist und mal eben 17 Mäuler zu stopfen hat, das sind immerhin 34 Pizza-Stücke, die sie noch aufwärmen musste. Noch schlimmer wurde es aber, nachdem wir mit unseren Bestellungen durch waren (wo bereits die ersten unserer Gruppe schon aufgegessen hatten). Da kamen nämlich nach uns nach einige Grüppchen an und fragten uns, ob das Essen schmecke und die Marken angenommen würden (natürlich mit Sonderaktion). Ab dem Moment galten wir als Trendsetter. Auf dem Foto sieht man nur einen kleinen Teil der Schlange, dafür sieht man umso besser, wie klein der Laden ist:
Nebenan bei einem Restaurant, welches sich auf Salate spezialisiert hatte, lief das Geschäft wohl noch besser:
Nach der Stärkung suchten wir die nächste Metro-Station auf. Ich wusste zu dem Zeitpunkt irgendwie nicht, wohin es gehen sollte, also bin ich immer treu blöd hinter allen hergelaufen.
Irgendwann kamen wir dann am Retiro Park an. Einen schöneren Park habe ich bisher noch nicht erlebt. Schön viele Brunnen, Bäume, Seen, Statuen, Gartenanlagen und alles in einen Top-Zustand, nichts kaputt und nirgendwo Dreck – als ob es da keine Randalierer geben würde …
… auf diesem kleinen See konnte man auch mit dem Boot fahren, aber das war erstens zu teuer und zweitens Selbstmord ohne Sonnenschutz …
…man darf hier sogar die Wege verlassen und sich unter den vielen Bäumen gemütlich machen. Anders waren die Temperaturen auch fast nicht zu ertragen, die Sonne stach nämlich mal so richtig. In der Sonne waren es mindestens 45°.
Den kompletten Nachmittag verbrachten wir also an einem schönen schattigen Plätzchen und spielten auch hier wieder etliche Runden Werwolf. Zwischendurch mussten wir natürlich noch einen der vielen Trinkwasserspender mit Chlorgeschmack aufsuchen, aber ohne Wasser ging es nun mal nicht.
Am frühen Abend gegen 19 Uhr pilgerten wir wieder zurück zum Placa de Cibeles, vom Park aus waren es maximal 15 Minuten zu Fuß. Auf dem Weg dorthin wurde es immer voller und voller. Irgendwann ging es aber dann auch nicht mehr weiter und machten uns mitten auf der Straße breit. Man konnte von unserem Standpunkt aus nur noch den Platz mit der Bühne erahnen …
…die Zeit bis zum Beginn der Messe schlugen wir uns mit Flaggen-Raten tot. Gewonnen hat der Fabian aus unserer Gruppe, der die exotischste aller Flaggen sogar wusste: Osttimor:
Er selbst war auch immer hin und weg davon, dass ausgerechnet so eine Flagge hier zu sehen sei. Es entwickelte sich zum Running-Gag im Laufe des Weltjugendtages.
Auch Philipp schloss hier wieder ein paar (nicht nur spanische) Bekanntschaften:
Mittlerweile ist auch schon der Gottesdienst angefangen, das konnten wir allerdings nur sehen und nicht hören. Irgendwie waren wohl die Boxen in unserem Bereich ausgefallen. Wir konnte nur gerade so eben mitbekommen, dass der Erzbischof von Madrid Antonio Maria Rouco Varela die offizielle Eröffnung verkündet hatte. Nach der Wandlung schlugen wir uns auch durch die Menge, um eine Hostie bei einem der vielen Priester (Zitat: “Go to an umbrella, there you will find a priest!”) zu erhalten. Angeblich soll auch überall einer in der Nähe sein, aber unser nächster Regenschirm befand sich erst in ca. 100 m. Aber in greifbarer Nähe verschwand der Regenschirm samt Priester und so gingen wir leider leer aus. Nun holten wir uns noch den Abschlussseegen vom Erzbischof ab und wanderten mit der ganzen Horde Richtung Atocha.
Unterwegs trafen wir sogar noch unsere liebgewonnene Gemeindemitglieder aus Pamplona. Da war die Freude auf beiden Seiten echt sehr groß, dass man sich bei den Menschenmengen wiedergetroffen hat. Dies war ein Ding der Unmöglichkeit … Schicksal! Hier gab es dann natürlich auch die begehrten und berühmt berüchtigten “Free Hugs”. Leider mussten wir uns auch recht schnell verabschieden, denn der letzte Zug Richtung Unterkunft fährt bald und bei dem Ansturm auf Atocha musste man einiges an mehr Zeit einplanen.
Auch wenn die Begegnung mit den alten Bekannten ein Lichtblick heute war, so war ich doch ganz schön geschafft von dem Wetter und dem Trubel. Meine Kopfschmerzen haben wohl jetzt ihren Höhepunkt erreicht, leider aber kein Pulver gerade dabei. Also hieß es durchhalten, was nicht leicht fiel. Am Bahnhof angekommen, wurden einige Gleise für mehr Gäste gesperrt, so dass wir auch hier noch etwas länger verbrachten. In der Zeit gönnte ich mir noch schnell eine Dose kalte Cola aus dem Automaten für nur 1,50 € (als Bahnhofspreis geht das vollkommen). Endlich konnten wir auf unseren Bahnsteig und schoben uns sofort in den nächsten Zug. Ich machte es mir auf dem Klo gemütlich, da war ja noch Platz, der sonst vergeudet werden würde. Es wurde immer enger, aber die Stimmung nicht schlechter. Bei jedem Fahrgast wurde fröhlich “Einer geht noch, einer geht noch rein” angestimmt. Der Zug rollte zwar an und fuhr schließlich auch, aber das Thermometer zeigte sage und schreibe 52° an. Dabei fragten wir uns schon, ob das die Temperatur von im Zug oder von draußen war.
Nichtsdestotrotz kamen wir dann doch sehr spät an unserer Unterkunft an. Hier besorgte ich mir noch schnell das Kopfschmerzpulver, bevor wir gemeinsam unser Abendessen (es war bereits um die 0 Uhr!) am Kiosk des Schwimmbads abholten. Auch hier konnten wir unsere Coupons im Wert von 6,50€ einlösen. Ich bestellte mir eine große Portion Pommes und 2 große Flaschen Wasser. Jede Bestellung bekam gut durchdacht eine Zahl, die dann auf spanisch (nicht durchdacht) ausgerufen wurde. Nach der Mahlzeit und Einnahme des Pulvers ging es mir jetzt schon viel besser. Eine der Wasserflaschen hatte ich schon mit einem Zug auf die Hälfte reduziert.
Nun ging es aber ins Bett, eine Katechese um 11 Uhr am anderen Ende von Madrid erwartet uns am nächsten Tag.